Vor allem weibliche studierte Akademiker werden im Arbeitsleben Opfer des Hochstapler-Syndroms, Fachchinesisch Impostor-Phänomen oder Impostor-Syndrom genannt. Manche Studierende erwischt es noch in der Uni-Zeit, ihre Gedanken im Kopf kreisen: „Ich kann doch gar nichts, durch jede Prüfung komme ich nur durch Zufall, ohne die Hilfe Anderer hätte ich das nie geschafft, die anderen können das alle wirklich, ich hab den ganzen Stoff schon wieder vergessen, irgendwann werden alle merken, wie dumm ich wirklich bin. Entweder schon vor dem Abschluss, dann stehe ich ohne Zeugnis in der Hand im Nichts, oder nach dem Abschluss, dann habe ich vielleicht ein Zeugnis, aber werde nie einen Job finden, ich bin schließlich völlig unqualifiziert.“ DIAGNOSE: Betrüger-Phänomen, die Unfähigkei, den eigenen Erfolg zu internalisieren.
Nach dem Abi auf die Uni Politikwissenschaft, Germanistik und Soziologie. Nach 3 Jahren der Bachelor, ein paar Auslandssemester und Praktika und direkt den Master drangehängt. Dann stand Tina R. mit zwei Abschlüssen und Praktikumszeugnissen vor dem Nichts. Eigentlich wollte sie in die Jugendbildung aber eine Bewerbung folgte der nächsten Absage. Das überraschte sie keineswegs, es bestätigte ihre Meinung über sich selbst: Ich kann ja auch nichts, bin nicht besonders intelligent, kann mich nicht konzentrieren, schlecht ausdrücken und mein Wissen ist viel zu begrenzt. Dann landet sie nach einigen Gelegenheitsjobs im Online-Marketing in der Redaktion einer angesehenen Wochenzeitung, mit gutem Namen. Nach zwei Jahren ist sie die Redaktionsleitung des Bereichs Online. Schon immer hat sie gern geschrieben und auch der Bildungsbereich steckt im Job, schließlich sollen die Artikel, die sie schreibt und deligiert aufklären. Alle denken „Die Tina hat´s echt zu was gebracht“, aber Tina denkt „Alle Welt merkt nicht, dass ich eigentlich gar nichts kann und kaum was weiß, irgendwann fliegt es auf und ich werde entlassen“. Nach jedem geschriebenen Text bibbert Tina vor der Reaktion. Täglich erwartet sie den obersten Chefredakteur in der Tür, er starrt sie an und redet wütend auf Sie ein „Was glauben Sie eigentlich für wen Sie hier arbeiten, wir haben Niveau und einen Bildungsauftrag, ihre Artikel können Sie vielleicht in einem billigen Online-Portal verhökern, die sind grottenschlecht!“ Die ganze Abteilung macht sich über ihre dämlichen Artikel lustig, ein paar Kollegen klopfen ihr Mitleidig auf die Schulter. Soweit das Kopfkino. In echt steckt dahinter das Hochstapler-Syndrom.
Ein Trost: Auch Berühmtheiten erwischt es
Das Hochstapler Syndrom ist auch unter den Stars, Sternchen und wirklich renommierten Intelektuellen verbreitet. Der Schriftsteller Neil Gaiman erzählte auf einer Abschlussfeier für Studenten der Künste in Philadelphia von der Angst Aufzufliegen. Er sehe in seinem Kopf immer den Mann mit Klemmbrett unterm Arm. Er klopft an die Tür und sagt: Es ist vorbei, du bist durchschaut. Jetzt musst du dir einen richtigen Job suchen. Die Heidelberger Professorin für Pädagogische Psychologie Birgit Spinath sieht eine Ursache für die enormen Versagensängste in der Leistungsgesellschaft. Der ständige Vergleich mit anderen führt zum ewigen Gefühl schlechter zu sein. Vor allem Frauen neigen dazu ihre Erfolge zu relativieren und sich kleiner zu machen, als sie sind. Brigit Spinath ist Expertin für das Hochstapler-Syndrom und erzählt, dass vor allem Selbstzweifel hinter dem Syndrom stecken. Betroffene glauben der eigene Erfolg im Studium oder im Beruf gründe auf Zufall, netten Prüfern oder reinem Glück. Allerdings hat jeder zweite Deutsche streckenweise das Gefühl, eigentlich gar nichts zu können und völlig unfähig zu sein. Auch der Gedanke: „Bis jetzt lief es gut, aber bald fliege ich auf!“, ist vielen bekannt.
Tipps für Betroffene
Sportlich und vor allem mit Humor nehmen. Wer sich selbst nicht Bierernst nimmt, sondern über das Leben Lachen kann, diese kurze Zeit zwischen Geburt und Tod, der fährt am Besten. Sag dir einfach: Na und, dann kann ich eben eigentlich gar nichts, aber irgendwie geht es immer weiter und wenn ich den Job irgendwann verliere, ist das auch kein Weltuntergang. Dann finde ich was anderes. Vor allem Freunde, Familie und Partner, aber auch Hobbys helfen dabei einen sicheren Hafen für jeden Notfall in Sachen Beruf und Karriere zu haben.